Die Bedeutung von Sanatana Dharma

Sanatana Dharma ist die spirituelle Definition des Wesens der ewigen Seele (Atman). Die Veden sprechen in diesem Zusammenhang von der ewigen, wesensgemäßen Natur der Seele. Diese ursprüngliche und ewige Natur und die daraus hervorgehende dynamische Tätigkeit der Seele, besteht in einer liebenden Beziehung zum höchsten Herrn Sri Krishna, der in diesem Zeitalter des Kali in seiner barmherzigen Gestalt in Form von Sri Gauranga Mahaprabhu erschienen ist (1486 – 1533). «Gauranga Prema» beinhaltet einerseits, dass Sri Gauranga der ursprüngliche höchste Herr ist (Radha-Krishna in einer Gestalt vereint), und andererseits ist es die ewige natürliche Position der Seele (sanatana dharma), mit ihm in Liebe (prema) verbunden zu sein.
(Mehr zu Sanatana-Dharma)

Das Hören, das Chanten und das Sich-Erinnern an den höchsten Herrn, gilt als die grundlegende und wichtigste hingebungsvolle Tätigkeit.

Das Brhan-Naradiya Purana (38.126) betont:

harer nama harer nama harer namaiva kevalam
kalau nasty eva nasty eva nasty eva gatir anyatha
“Im Zeitalter des Kali gibt es keine andere Möglichkeit, keine andere Möglichkeit, keine andere Möglichkeit für spirituellen Fortschritt als den heiligen Namen von Hari, den heiligen Namen von Hari, den heiligen Namen des höchsten Herrn Sri Hari.”

Das ständige Hören, Chanten und sich an den höchsten Herrn Erinnern, wird uns durch den heiligen Namen Gottes sehr einfach gemacht, da die Spiele, die Gestalt und die Kraft Gottes mit seinem heiligen Namen eine Einheit bilden – sie sind nicht voneinander verschieden.
Diese Wahrheit über den heiligen Namen kann nur durch das vergehenlose Chanten verwirklicht werden. Aufgrund ihrer Stimmung, die von Gnade und Barmherzigkeit durchdrungen ist, akzeptieren Sri Nityananda und Sri Gauranga keine Vergehen (Aparadha). Srila Bhaktivinoda Thakura schreibt im 1. Kapitel des Navadvipa Dhama Mahatmya:

“Sri Chaitanya’s Herabsteigen, wie auch immer, ist höchst ungewöhnlich. Durch seine Barmherzigkeit kann eine ernsthafte Person, selbst wenn sie voller Vergehen ist, sehr schnell Liebe zu Gott erlangen. Wenn jemand die Namen von Nitai und Chaitanya (Gauranga) ausspricht, wird Krishna-Prema persönlich nach ihm suchen. Vergehen können diesen Fortschritt nicht behindern, und schon bald wird er aus Liebe zu Gott Tränen der Ekstase vergießen. Durch die Barmherzigkeit Sri Chaitanya’s fliehen alle Vergehen sehr schnell weg, das Herz wird rein und Liebe zu Gott kann voll erblühen.”

Das Chanten der Mantras Nityananda-Gauranga oder des Mahamantra’s Hare Krishna Hare Krishna Krishna Krishna Hare Hare – Hare Rama Hare Rama Rama Rama Hare Hare dient nur einem Zweck: Unser Herz dem höchsten Herrn zu öffnen, um mit Gauranga-Prema, Radha-Krishna-Prema oder beidem gesegnet zu werden. Srila Bhaktivinoda Thakura erklärt im Jaiva Dharma (14. Kapitel):

“Seelen, die während ihres sadhana nur Sri Gauranga verehren, gehen zur Zeit der Vollkommenheit zu Sri Gaurangas Aufenthaltsort und dienen ihm dort. Seelen, die während ihres sadhana nur Sri Krishna verehren, gehen zur Zeit der Vollkommenheit zu Sri Krishnas Aufenthaltsort und dienen ihm dort. Seelen, die während ihres sadhana beide, Sri Krishna und Sri Gauranga, verehren, erlangen zur Zeit ihrer Vollkommenheit zwei Formen und sie gehen zu beiden Orten, dem Aufenthaltsort von Sri Krishna und Sri Gauranga, und in den zwei Formen dienen sie beiden höchsten Herren gleichzeitig an beiden Orten. Diese Wahrheit: dass Sri Gauranga und Sri Krishna gleichzeitig eins und doch verschieden voneinander sind, ist ein sehr vertrauliches Geheimnis.”

Der Begriff «Gauranga Prema» wird vielleicht von Vaisnavas, die sich in erster Linie zur Verehrung Sri Sri Radha-Krishnas angezogen fühlen, als etwas provokant empfunden. Doch ist es nicht nötig, eine ablehnende Haltung einzunehmen. Obiges Zitat zeigt deutlich auf, dass es auch Seelen gibt, die sich ausschließlich zur Verehrung Sri Gaurangas hingezogen fühlen und ihn allein durch ihr sadhana verehren. Doch sehr viele Vaisnavas werden sich sowohl von Radha-Krishna als auch von Sri Gauranga angezogen fühlen und sich daher wünschen, an beiden Lilas teilhaben zu dürfen. Sie werden keines der beiden Lilas über das andere stellen, wie es von Srila Bhaktivinoda Thakura im Jaiva Dharma ausgedrückt wird:

“Die Wahrheit ist, Sri Chaitanya und Sri Sri Radha-Krishna existieren beide ewiglich. Alle Spiele des Höchsten sind ewig. Wenn jemand von den Spielen Sri Chaitanyas und den Spielen Sri Sri Radha-Krishnas denkt, die Spiele des einen seien wichtiger als die Spiele des anderen, versteht er die Wahrheit nicht. Ihm fehlt es vollständig an irgendeiner Wahrnehmung von Rasa (spiritueller Geschmack).”

Srila Bhaktisiddhanta Saraswati Thakura
betont in seiner Erläuterung zu Cc Adi-lila 8.31:

“Die Namen von Krishna und Gauranga – beide sind nicht verschieden vom Herrn selbst. Jemand der denkt, Krishna sei in irgendeiner Weise Gauranga untergeordnet oder begrenzt, befindet sich in grober Unwissenheit. Aber wenn wir ganz praktisch (prayojana) überlegen und den Vorteil für die bedingten Seelen beachten, ist das Chanten von Sri Gauranga-Nityanandas Namen für jedes Lebewesen viel nützlicher und hilfreicher. Die Barmherzigkeit von Krishnas Namen ist generell nur befreiten oder vollkommenen Seelen zugänglich, die ihm ergeben sind. Aber der Großmut der Namen von Sri Gauranga-Nityananda ist ganz besonders für die Seelen, die Vergehen begehen, und die voller Anarthas und Wünschen nach materieller Sinnenbefriedigung sind. Das Chanten der Namen von Sri Gauranga und Sri Nityananda und ihre Verehrung [Anm.: insbesondere durch das Chanten, Hören und sich an ihre Namen Erinnern] befreit die Seele sehr schnell von allen Vergehen und so erlangt sie ohne Verzögerung den Schutz der Lotosfüsse von Sri Gaura-Krishna.”

Srila Prabhupada schreibt in seiner Erläuterung zu Cc Adi-lila 7.76:

“Srila Rupa Goswami hat erklärt, dass der heilige Name des Herrn von befreiten Seelen gechantet werden kann, doch fast alle Seelen, die wir einweihen müssen, sind bedingt. Es wird angeraten, den heiligen Namen des Herrn ohne Vergehen und nach den regulierenden Prinzipien zu chanten; dennoch verletzen die meisten Schüler diese Regeln und Vorschriften aufgrund früherer schlechter Gewohnheiten.

Die Aussage von Srila Bhaktisiddhanta Sarasvati Thakura, die Barmherzigkeit des heiligen Namen Krishnas sei generell nur befreiten oder vollkommenen Seelen zugänglich, wird hier von Srila A.C. Bhaktivedanta Swami (Srila Prabhupada) bestätigt. Shrila Prabhupada betont daher an dieser Stelle die Wichtigkeit der Regeln und Vorschriften des pancaratriki-vidhi, wie sie zur Bildgestaltenverehrung befolgt werden müssen (um so seine Schüler vor Vergehen zu beschützen). Srila Prabhupada muss aber auch feststellen, dass die Mehrzahl seiner Schüler nicht in der Lage ist, den notwendigen Regeln zu folgen. Srila Prabhupada erwähnt dies nochmals kurz darauf in der Erläuterung zum Vers 8.31 und hält fest:

“Beim Chanten des Hare-Krishna-Maha-Mantra gibt es Vergehen, die man beachten muss, doch es gibt keine Vergehen beim Chanten der Namen von Gaura-Nityananda. Es wird daher sehr schwierig sein, die Ebene des liebenden Dienstes für den Herrn zu erreichen, wenn man zwar den Hare-Krishna-Maha-mantra chantet, jedoch weiterhin sündhaft (mit Aparadhas) lebt. Wenn man aber, statt ein Frevler zu sein, die heiligen Namen von Gaura-Nityananda chantet, wird man sehr schnell von den Auswirkungen seiner Vergehen befreit.”

Srila Prabhupada warnt aber ebenfalls in diesem Zusammenhang davor, zu denken, dass der Name Sri Chaitanyas (Gaurangas) mächtiger sei als der Name Krishnas. Er betont, beide Namen sind mit dem höchsten Herrn vollkommen identisch. Doch im Hinblick auf die Lage der Menschen im gegenwärtigen Zeitalter sei das Chanten von Sri Chaitanyas Namen notwendiger als das Chanten von Krishnas Namen, da seine Gnade sehr leicht erlangt werden kann.

Man sollte unbedingt verstehen, dass die besondere Bedeutung von Sri Gaurangas Namen darin besteht, die am tiefsten gefallenen Seelen von all ihren Vergehen (Aparadhas) zu befreien, um sie letztlich mit Krishna-Prema zu segnen. Dieselbe Segnung erhalten ebenfalls alle Seelen, die in der Lage sind, frei von Vergehen Sri Krishnas heiligen Namen zu chanten. Beide Namen schenken Krishna-Prema, aber einer von ihnen ist über jedes Mass hinaus barmherzig zu den gefallenen Seelen.

So schlussfolgert Srila Krishnadasa Kaviraja Goswami (Cc Adi-lila 8.32)

“Sri Chaitanya Mahaprabhu, die unabhängige höchste Persönlichkeit Gottes, ist überaus großmütig. Solange man ihn nicht verehrt, kann man niemals befreit werden.”

Die verschiedenen “Ismen” und Bezeichnungen dieser Welt sind im allgemeinen nur mit unserem Körper verbunden, daher sind sie zeitweilig und werden gemeinsam mit unserem Körper zerstört. Gauranga Prema jedoch bezeichnet die inhärente und untrennbare Charakteristik (das Dharma) der Seele. Konstitutionell ist somit jede Seele (Atman) ein Gauranga Dasa oder ein Radha-Krishna Dasa, d.h., ein ewiges winziges Teilchen (Atman) der höchsten Persönlichkeit Gottes, das aus reiner Liebe (Prema) mit ihnen verbunden ist.

Was ist also unser ewiges Dharma (sanatana dharma), als menschliche Wesen?
Gemäß der zeitlosen Weisheit der Veden, ist unser Dharma keine Charakteristik des Körpers, sondern der Seele, des im Körper wohnenden Funkens göttlichen Bewusstseins. In jedem von uns ist dieser “Funke”. Ja, genau betrachtet, sind wir dieser Funke, der von unterschiedlichen materiellen Hüllen eingekleidet ist. Diese Funken strahlen vom höchsten Herrn aus, der, ähnlich einem kosmischen Feuer, die Quelle aller göttlichen Funken ist.
Wir haben also keinen göttlichen Bewusstseinsfunken in uns drin, sondern wir sind dieser Funke, der von der materiellen Energie in Form unterschiedlicher Körper umhüllt wird.

So ist es das ewige Dharma (sanatana-dharma) jedes göttlichen Bewusstseinsfunken, in Harmonie um das zentrale Feuer, Sri Gauranga oder Sri Sri Radha-Krishna, der ursprünglichen höchsten Persönlichkeit, zu tanzen. Wir sind alle einzigartige, individuelle und persönliche Manifestationen von ihm, und daher ist es unser wirkliches Dharma (unsere ewige wesenseigene Konstitution), ihn wahrzunehmen und unsere ewige Verbindung mit ihm durch unsere ausgedrückte Liebe zu feiern. Es liegt im Wesen der Seele, den höchsten Herrn zu lieben und ihn natürlicherweise aus dieser Liebe heraus erfreuen zu wollen. Im materiellen Bewusstsein verlieren wir die Sicht auf unsere wahre Natur. Wir vergessen unsere Quelle oder unsere Beziehung zu Gott, und unser Dharma des selbstlosen liebenden Dienens zu ihm verwandelt sich in das materielle zeitweilige Dharma der konkurierenden Selbstsucht, was immer mit Leid und Frustration verbunden ist.

Eine andere Bedeutung von Dharma ist “Pflicht”. Im letzten Teil des 20. Jahrhunderts experimentierten wir damit, den Sinn für Pflicht und Verantwortlichkeit zu verlassen, um im Gegenzug der Ethik der Selbstbefriedigung zu frönen: “Wenn es sich gut anfühlt, mach es!” Aber jetzt merken schon viele von uns, dass dieses Experiment fehlgeschlagen ist. Pflicht ist wieder mal in der Gunst. Aber Pflicht gegenüber wem, und für was? Diese Frage können wir nur beantworten, wenn wir den anderen Teil von Dharma verstehen, unsere essentielle innerste Individualität und Charakteristik. Wenn es unsere essentielle und ewige Charakteristik ist, den höchsten Herrn zu lieben, dann ist es unsere erste Pflicht, unsere Aufmerksamkeit auf das Erwecken dieses liebenden Beziehung (bhakti) zu konzentrieren. Und so kommen wir wieder zurück zum Anfang:

harer nama harer nama harer namaiva kevalam
kalau nasty eva nasty eva nasty eva gatir anyatha
“Im Zeitalter des Kali gibt es keine andere Möglichkeit, keine andere Möglichkeit, keine andere Möglichkeit für spirituellen Fortschritt als den heiligen Namen von Hari, den heiligen Namen von Hari, den heiligen Namen des höchsten Herrn Shri Hari.”

Es ist dieser Vorgang, der das Sehnen des Herzens nach Gauranga-Prema und Krishna-Prema erfüllt.