Ausschnitt aus dem Buch
“Shri Guru und Seine Barmherzigkeit”

Von Swami B.R. Sridhara

Jemand, der eine starke Neigung entwickelt, Gauranga zu dienen, seinem dhama, seinem transzendentalen Reich und auch seinen Dienern, der kann die Barmherzigkeit von Nityananda Prabhu erlangen. Nityananda ist ganz besonders demjenigen zugetan, der sich vom gaura-lila (das göttliche Spiel Gaurangas) angezogen fühlt.

“Nimm den Namen von Gauranga!”
Nityananda Prabhu ging in Bengalen von Tür zu Tür und sagte: “Nimm den Namen von Gauranga! Dann will ich dein Diener sein. Du kannst mich ganz leicht haben, wenn du nur den Namen von Gauranga annimmst. Ich werde dann bedingungslos dein Eigentum, ohne dass es dich irgendetwas kostet.” Das war seine Wesensart. Als sich Mahaprabhu in Puri aufhielt, sandte er Nityananda Prabhu nach Bengalen. Und er gab ihm folgenden Rat mit auf den Weg: “Außer dir gibt es niemanden, der in Bengalen Krishnas Heiligen Namen oder den hingebungsvollen Dienst für Krishna verbreiten könnte. Die Leute dort beschäftigen sich mehr mit der tantrischen Methode und der smrti. Sie machen zuviel Aufheben um diese unbedeutenden Dinge. Sie sind aufgeblasen und denken, dass sie alles Wissen erworben hätten. Deshalb ist Bengalen ein schwieriges Feld für Predigtarbeit. Niemand außer Dir ist imstande, die Menschen dort wachzurütteln. Halte dich fern von den Angehörigen der höheren Kasten und wende dich mit dem Heiligen Namen Krishnas an das einfache Volk. Du bist der geeignetste Mann für dieses Werk.”

Nityananda Prabhu ging daraufhin nach Bengalen. Aber ohne auch nur den geringsten Versuch zu machen, die Herrlichkeit des Gottesnamens ‘Krishna’ zu verkünden, predigte er von Anfang an den Namen von Gauranga. Nityananda Prabhu erkannte eine gewisse Gefahr darin, zu denken, dass Krishnas Spiele den irdischen Ausschweifungen, dem Lügen und Stehlen einer entarteten Seele sehr ähnlich seien. Krishnas Spiele sind ihrem Wesen nach äußerst vertraulich. Es ist sehr schwierig für die breite Masse die Reinheit des krsna-lila zu verstehen. Sie kann nicht begreifen, dass krsna-lila das Höchste ist, was man erreichen kann. Nityananda Prabhu erkannte also, dass es schwierig wäre krsna-lila zu predigen. Stattdessen fand er es einfacher, gaura-lila zu predigen, in dem Krishna herabgekommen war, um sich selbst an die ganze Welt zu deren Nutzen zu verschenken. Gauranga gleicht einer unerschöpflichen Kraftquelle, die Krishna an alle verteilen will, durchdrungen von einem unvorstellbar tiefen Mitgefühl und voll der edelsten Liebesempfindungen für die gewöhnlichen Menschen, ja ausgestattet mit der allerstärksten Zuneigung sogar zu Verbrechern. Nityananda Prabhu wollte alle in Verbindung mit Gauranga bringen, denn dadurch würde krsna-lila ganz von selbst innerhalb ihrer Reichweite sein. Deshalb begann er über Gauranga zu predigen und nicht über Radha-Krishna, wie es ihm Mahaprabhu aufgetragen hatte. Nityananda Prabhu predigte also: “Verehre Gauranga, sprich nur über Gauranga und singe den Namen von Gauranga” (bhaja gauranga kaha gauranga, laha gauranga nama).

Im Chaitanya-Bhagavata wird noch ein anderes Beispiel für die Beziehung zwischen Krishna und Balarama auf der einen, und Gauranga und Nityananda auf der anderen Seite, beschrieben. Sachidevi hatte einen Traum, in dem Krishna und Balarama auf einem Thron sassen und Nityananda mit Balarama kämpfte: “Komm herunter von deinem Thron. Die Zeit des dvapara-yuga ist um. Das Zeitalter des kali ist gekommen und mein Gebieter, Gauranga, muss jetzt deine Position auf diesem Thron einnehmen. Komm also herunter!” Balarama fing an, sich zu verteidigen: “Nein, warum sollten wir heruntersteigen? Wir sind doch die ganze Zeit auf diesem Thron gesessen.” Da begann Nityananda Prabhu ihn mit Gewalt vom Thron zu zerren, und schließlich gab Balarama nach. Nityananda Prabhu sagte: “Mein Herr Gauranga will jetzt diese Position einnehmen. Die Zeit für ihn ist jetzt gekommen.” Nityananda zeigt also eine besondere Vorliebe für Gauranga. Er sagt: “Krishna ist weit weg. Mein Gebieter ist Gauranga.”

Wir müssen also Nityananda Prabhu sehr dankbar sein, denn er ist unser guru. Und die Barmherzigkeit des guru ist so wichtig, dass Ragunatha Dasa Goswami betet: “Oh Radharani, schenk mir deine Barmherzigkeit. Krishna allein ohne dich will ich nicht haben. Niemals möchte ich Krishna ohne dich haben.” So sollte die gesunde Haltung eines Gottgeweihten aussehen.



Der Buchtitel “Sri Guru und seine Barmherzigkeit” deutet schon an, dass es um die höchste Barmherzigkeit des Adi-Guru Nityananda geht. Die offenbarten Schriften sind diesbezüglich klar, ohne Nityanandas Segen (Adi-Guru) ist es sehr schwer den Segen von Gauranga zu erhalten, der uns die Tür ins transzendente Reich von Goloka-Vrindavan öffnet.
Wer in dieser Welt das Amt oder die Position des Guru in der Linie Gaurangas ausübt, sollte sich bewusst sein, dass er nicht über die Anweisungen des Adi-Guru hinwegsehen kann, indem er die Bedeutung des Chantens der Namen von Nityananda und Gauranga verschleiert und die unmittelbare Verehrung von Radha-Krishna in den Mittelpunkt setzt. 

Srila Narottama das Thakura in der “Manah-siksa”, der Unterweisung des eigenen Geistes, schreibt:
heno nitai vine bhai, radha-krishna paite nai
“Wenn du nicht bei Sri Nityananda Zuflucht suchst, wirst du dich (mein lieber Geist) nicht Radha-Krishna nähern können.”

Warum ist das so? Der Name des Adi-Guru Nitai/Nityananda (Sri Balarama und Srimati Ananga Manjari in einer Gestalt) akzeptiert keine Aparadhas. Er hat einen Wunsch, die in Materie verstrickte Seele (jiva-atman) zu Sri Gauranga zu führen. Sri Gauranga wiederum ist jener, der allen Seelen, die ihm von Nityananda gebracht werden, die Türe zu den Vraja-Lilas offen hält.
Ein Aparadhi kann Millionen von Geburten mit der Verehrung von Radha-Krishna (dem Hare-Krishna-Mantra) zubringen, ohne jemals das Geschenk von Krishna-Prema zu erhalten. Das wird auch sehr deutlich im Chaitanya-Charitamrita (Adi-lila, 8. Kapitel) betont. Es ist im Kali-Yuga extrem schwierig, frei von Aparadhas die Namen von Radha-Krishna zu chanten.
Das ist der Grund, weshalb Narottama das Thakura schreibt: “Wenn du nicht bei Sri Nityananda Zuflucht suchst, wirst du dich (mein lieber Geist) nicht Radha-Krishna nähern können.”

Wir suchen Prema und Nityananda-Gauranga wollen dieses kostbare Gut verschenken. Wir brauchen nur unsere Hände zu öffnen (indem wir bei Nitai und Gauranga Zuflucht suchen), um dieses Geschenk zu erhalten. Nicht nur, dass wir das Geschenk erhalten, das Geschenk (Krishna-Prema) läuft uns hinterher!

Sri Navadvipa-dhama-mahatmya, Kap. 1:

gauranga-nitai jei bale eka-bara 
ananta-karama-dosa anta haya ta’ra (38)
“Wer nur einmal die Namen Gauranga-Nitai ausruft, wird von den Reaktionen auf unzählige sündhafte Handlungen frei.”

nitai-caitanya bali‘ jei jiva dake
suvimala-krsna-prema anvesaye ta’ke (48)
“Wenn jemand die Namen ‚Nitai-Chaitanya‘ ausruft, dann wird [die personifizierte] reine göttliche Liebe zu Krishna hinter ihm herlaufen und ihn suchen.”

aparadha-badha ta’ra kichu nahi kare
niramala-krsna-preme ta’ra ankhi jhare (49)
“Seine Vergehen (Aparadhas) können ihn nicht im Geringsten behindern. In reiner Liebe werden Ströme von Tränen aus seinen Augen fließen.”

svalpa-kale aparadha apani palaya
hrdaya sodhita haya, preme bade taya (50)
“In kurzer Zeit werden all seine Vergehen verschwinden. Sein Herz wird rein werden und Prema, göttliche Liebe, in ihm erwachen.”